Hinweisgeberschutzgesetz: Antworten auf die wichtigsten Fragen

Whistleblowing-RichtlinieFoto:profartshop/shutterstock.com

Am 02.07.2023 ist das Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft getreten. Welche Unternehmen müssen jetzt handeln? Rechtsanwältin Dr. Anke Thiedemann, Fachanwältin für IT-Recht sowie externe Datenschutzbeauftragte bei der RWT Anwaltskanzlei GmbH in Reutlingen, gibt einen Überblick.

Was regelt das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG)?
Das HinSchG regelt den Schutz aller Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über bestimmte Gesetzesverstöße erlangen. Diese Verstöße im Unternehmen sollen vertraulich gemeldet werden können, ohne dass die jeweiligen Hinweisgeber dafür Repressalien befürchten  müssen. Das HinSchG setzt dabei die EU-Whistleblower-Richtlinie um.

Welche Unternehmen sind betroffen – und was müssen sie tun?
Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten sowie Unternehmen, die in sensiblen Bereichen (Wertpapierdienstleistungen, Kreditwesen, Börse) tätig sind, sind seit dem 02.07.2023 zur Einrichtung einer sogenannten internen Meldestelle verpflichtet. Bei Nichteinrichtung einer solchen Meldestelle droht ab dem 01.12.2023 ein Bußgeld von bis zu 20.000 Euro. Für Firmen mit 50 bis 249 Beschäftigten gilt die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle erst ab dem 17.12.2023.

Wer kommt als interne Meldestelle in Betracht?
Sowohl Beschäftigte des Unternehmens als auch Dritte können als interne Meldestelle benannt werden. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die Meldestelle über entsprechende Fachkenntnisse verfügt, unabhängig ist und keinem Interessenkonflikt unterliegt. In Betracht kommen insbesondere der Justiziar oder der Compliance-Beauftragte des Unternehmens, alternativ ein externer Anwalt oder der bestellte Datenschutzbeauftragte. Die interne Meldestelle ist zu Vertraulichkeit verpflichtet. Für Verstöße gegen das Vertraulichkeitsgebot sieht der Gesetzgeber Bußgelder in Höhe von bis zu 50.000 Euro vor. 

Unterliegen Unternehmen hinsichtlich der Einrichtung von Meldestellen mehreren Gesetzen, neben dem HinSchG zum Beispiel auch dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder dem Wertpapierhandelsrecht, empfiehlt sich die Einrichtung einer gebündelten Meldestelle.

Wie viele interne Meldestellen benötigen Unternehmensgruppen?
Unternehmensgruppen, die aus Firmen mit jeweils bis zu 249 Beschäftigten bestehen, benötigen nur eine einzige interne Meldestelle für Rechtsverstöße nach dem HinSchG.

Welche Rechtsverstöße können gemeldet werden?
In den sachlichen Anwendungsbereich des HinSchG fallen Verstöße gegen Strafvorschriften, Verstöße gegen bestimmte bußgeldbewehrte Vorschriften (etwa Arbeits- und Gesundheitsschutz, Mindestlohngesetz, Betriebsverfassungsrecht) sowie Verstöße gegen Rechtsvorschriften aus bestimmten Bereichen (zum Beispiel Datenschutz-, Kartell-, Vergabe- und Steuerrecht).

Wie muss das interne Meldesystem beschaffen sein?
Das eingerichtete Meldesystem muss über sichere Meldekanäle verfügen, die die vertrauliche  mündliche oder schriftliche Meldung der genannten Rechtsverstöße sicherstellen. Gerade bei kleinen und mittleren Betrieben zeichnet sich dabei der Trend zum Einsatz digitaler Hinweisgebersysteme ab, da sie eine sichere und vertrauliche Behandlung der zur Verfügung gestellten Daten gewährleisten und es in diesem Bereich bereits kostengünstige Lösungen gibt.

Welche Aufgaben und Pflichten hat die interne Meldestelle?
Die Meldestelle betreibt die eingerichteten Meldekanäle und muss über diese Meldekanäle informieren. Zugleich prüft die Meldestelle die Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldungen. Sie kontrolliert, ob die oder der Meldende zum meldeberechtigten Personenkreis zählt, ob die Meldung unter den sachlichen Anwendungsbereich des HinSchG fällt und ob die Meldung begründet ist, also ob der Hinweis hinreichend konkret und plausibel ist. Treffen diese Punkte zu, muss die Meldestelle Folgemaßnahmen ergreifen. Dazu zählt auch, dem Hinweisgeber innerhalb von sieben Tagen den Eingang seiner Meldung zu bestätigen und ihn innerhalb von drei Monaten über geplante oder bereits ergriffene Maßnahmen zu informieren.

Wer kann Hinweisgeber sein?
Der persönliche Anwendungsbereich des HinSchG ist weit gefasst und umfasst alle Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben. Hierzu zählen insbesondere Arbeitnehmer sowie Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis beendet ist – aber auch Stellenbewerber, Praktikanten, Auszubildende und Leiharbeitnehmer.

Nach dem HinSchG müssen die internen Meldekanäle zumindest den eigenen Beschäftigten und Leiharbeitnehmern offenstehen.

Welche Handlungsoptionen hat der Hinweisgeber?
Der Schutz des Hinweisgebers nach dem HinSchG setzt voraus, dass er Verstöße an die interne oder externe Meldestelle meldet oder diese Verstöße offenlegt. Der Hinweisgeber hat die freie Wahl zwischen einer internen und einer externen Meldung. In Fällen, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und in denen keine Repressalien drohen, sollte die Meldung an die interne Meldestelle bevorzugt werden. Als externe Meldestelle fungieren etwa das Bundesamt für Justiz und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Müssen anonyme Meldungen möglich sein?
Dies ist nicht vorgeschrieben. Der Gesetzgeber empfiehlt jedoch, dass Meldestellen auch anonyme Meldungen bearbeiten sollten.

Was passiert bei Verstößen?
Für Verstöße gegen das HinSchG drohen Bußgelder in Höhe von 50.000 bis 500.000 Euro. Zudem stehen einem Hinweisgeber bei Repressalien Schadensersatzansprüche zu. Bei vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Falschmeldungen ist der Hinweisgeber zum Schadensersatz verpflichtet. /

Stefanie Bachmann

Stefanie Bachmann

Recht und Steuern
IHK-Zentrale
Position: Bereichsassistentin, Sachbearbeiterin
Schwerpunkte: Erstauskünfte, Sachverständigenwesen, Geweberechtliche Erlaubnisverfahren nach §§34c ff GewO, IHK-Prüfung zum Zertifizierten WEG-Verwalter
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